Unbändiger Hunger – Bratwurstkurs mit Stefan WiesnerText: Thomas Ruhl
Unwiderstehlich
Ein Mann erschlug seine Frau und verwurstete sie. Doch man kam ihm auf die Schliche und führte ihn vor Gericht. Scharf ist die Anklage. Der höchste Richter selbst führt den Prozess. Das Corpus Delicti in Form einer prallen, wohlriechenden Wurst liegt vor ihm, appetitlich auf einem Teller präsentiert. Er kann der Geschmacksverheißung nicht widerstehen. Probiert, verfällt dem Aroma, verzehrt Stück um Stück. Der Angeklagte wird verurteilt und darf einen letzten Wunsch äußern. Er will die Wurst verzehren. Der Wunsch wird ihm gewährt. Doch der Teller vor dem Richter ist längst leer.
Escholzmatt im schweizerischen Entlebuch. Im Nebengebäude des Gasthofs Rössli, ein ehemaliger Schuppen, der zu einer Kochschule umgebaut wurde, findet heute einer der begehrten Bratwurstkurse von Stefan Wiesner statt. Der avantgardistische Naturkoch leitet diesen durch die Nacherzählung der skurrilen Geschichte “Die Wurst“ ein, geschrieben in straffen Sätzen von Friedrich Dürrenmatt. Die von Dürrenmatts Nihilismus geprägte Episode aus dem Buch “Aus den Papieren eines Wärters“ greift einerseits die in seinen Werken immer wiederkehrende Justizkritik auf, zeigt aber durch die Wahl der Wurst auch die Begehrlichkeit eben dieses Objekts. Unwiderstehlich, verführerisch, zum Reinbeißen.
Gerade die Bratwurst oder Brühwurst gilt zum Stillen eines Heißhungers als probates Mittel. Currywurst mit Pommes und Mayo rettet nach durchzechter Nacht so manchem das Leben. So meint man. Eine Bockwurst mit Kartoffelsalat ist kulinarischer Höhepunkt eines Ausflugs mit Kindern und kaum ein Grillfest kommt ohne in Darm gepresstes, gut gewürztes Schweine- oder Rinderbrät aus.
Die Massentauglichkeit der Bratwurst hat derselben verständlicherweise nicht zu einem guten kulinarischen Image verholfen. Zudem überschwemmt Massenware mit zweifelhaftem Aroma den Markt. Doch eine Bratwurst kann genial sein – wenn die Qualität der Zutaten stimmt. Wer schon mal eine Lammbratwurst von Jörg Müller auf Sylt probiert hat, wird das bestätigen. Zum Niederknien. Insbesondere die Würzung des Bräts führt auf eine riesige kreative Spielwiese. Der Wurstdarm wird so zum Container von Ideen. Bratwürste kann jeder im Gegensatz zu Roh- und Kochwürsten auch mit einfachen Mitteln selber machen. Wir zeigen wie das geht ... (weiterlesen im Magazin)
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