|
Faktor : ÖkologieRené Redzepi, noma
Kochkunstkritiker Jürgen Dollase analysiert Gerichte wie ein Kunsthistoriker die Werke eines großen Meisters.
Avantgarde Part EIGHTEEN
Prolog: Die Küche der Zukunft zwischen Naturküche und Avantgarde
René Redzepi ist wahrscheinlich ein sehr viel größerer Revolutionär, als man das bisher meint. Und dabei geht es gar nicht in erster Linie um das Ausmaß an Kreativität, das seine Kreationen seit Jahren zeigen. Es geht noch nicht einmal allein darum, ob er langsam aber sicher zu einem der einflussreichsten Köche seit Jahrzehnten wird. Es geht darum, dass er mit seinem Ansatz von großer Bedeutung für die Zukunft der Ernährung insgesamt werden kann.
Wie kommt man zu so einer auf den ersten Blick vielleicht verwegenen Behauptung? Die Zukunft der Ernährung wird immer mehr von einem natürlicheren, ökologisch vertretbaren Ansatz bestimmt werden. Und weil das mit unseren eingeschränkten Vorstellungen vom Essen, der weit verbreiteten Vorliebe für industrielle Nahrungsmittel und der damit verbundenen Massentierhaltung wie industriellen Lebensmittelerzeugung nicht zu realisieren ist, wird es zu einer erheblichen kulinarischen Umorientierung kommen. Kurz: Wir werden früher oder später eine Menge Dinge essen, die bisher auf unserem Speiseplan kaum eine Rolle spielen. Dabei geht es nicht nur um “neue“ oder “wiederentdeckte“ Produkte, sondern zum Beispiel auch darum, dass wir von Tieren und Pflanzen alle essbaren Teile nutzen – und das natürlich auch in der Spitzenküche. Wer sich heute darum bemüht, die Palette des Essbaren erheblich auszuweiten und/oder Techniken und Zubereitungsarten findet, die die “neuen“ Produkte attraktiv und verführerisch machen, leistet einen enorm wichtigen Beitrag zur Entwicklung der Kochkunst und der Ernährung insgesamt. Die Vertreter einer Küche, die entdeckt und wiederentdeckt, zeigen uns, was man alles essen kann, die Avantgarde mit ihrem ausgeweiteten kochtechnischen Verständnis, dass man damit hervorragende Gerichte zubereiten kann. Beides findet im Moment fast ausschließlich in der Spitzenküche statt, weil die meisten Bio-Restaurants diesen Zusammenhang wohl noch nicht realisiert haben, sondern sich damit begnügen, eine Art politisch korrekte Bio-Küche unter Verwendung von Bio-Produkten zu erzeugen. Auch wer heute in einen Bio-Laden geht, wird vermutlich nur extrem selten auf Produkte wie die treffen, die Redzepi im noma benutzt. René Redzepi hat also deshalb das Zeug zu einem Revolutionär, weil er gleich beide Aspekte bedient. Er weitet die Palette mit Hilfe all dessen, was seine Region hergibt, erheblich aus, und er entwickelt viele Techniken, die dafür sorgen, dass wir die Neuigkeiten mit Genuss und Freude essen können...(weiterlesen im Magazin)
 |